Dass man unterschiedliche Klangwelten mit den Jahreszeiten verbindet, mag vielleicht nicht der erste Gedanke sein, den man bei solchen Überlegungen hat, und doch sind diese, fest mit denen Japans verknüpft.

Die Zikaden künden vom Sommer und ihr zirpendes Geräusch gehört in Japan genauso dazu, wie Feuerwerke, Kakigōri[1], d.h. geschabtes Eis, das mit Sirup gereicht wird, als auch Volks- und Straßenfeste, obwohl es nicht immer ein angenehmes Geräusch zu sein scheint, wenn man damit nicht groß geworden ist.

Die Zikaden leben nur eine Woche, das Zirpen sind ihre „Lock- und Paarungsrufe“, es bleibt daher nur diese Zeit, um sich fortzupflanzen, bevor sie „in Scharen vom Himmel fallen“. Das „Spiel“ wiederholt sich Jahr für Jahr auf ein Neues. Ihr Zirpen, das oft etwas schrill oder auch dumpf erscheint, bereitet also den nächsten Zyklus vor.

Bei den Zikaden ist es so wie mit vielen Dingen:

Sie scheinen unbedeutend, aber wenn sie nicht mehr zirpen, kommt ein Gefühl der Einsamkeit oder der Verlassenheit auf. Zumindest hört man es so aus einigen Schilderungen mancher Japaner heraus. Auch vor einem Erdbeben verstummen sie plötzlich, wie Boten der drohenden Gefahr.

Wenn sie mir beim ersten Sommerbesuch in Japan noch unglaublich störend, ja fast lärmend, erschienen, habe ich mich mit der Zeit doch daran gewöhnt oder sie sind für mich wenigstens zu einem Aspekt meiner japanischen Sommer, geworden.

Es gibt verschiedene Bedeutungen, die sich um sie ranken und ein Gefühl von leichter Kühle gehört, seltsamerweise, ebenfalls mit dazu.

Vielleicht sind es die unzähligen kleinen Flügelschläge tausender Zikaden, oder die Vorstellung dessen, die in der heißen Jahreszeit Abkühlung bringen.

Erfrischung in der feuchten, schweren Hitze, bringen auch die vielen Glockenspiele an den Fenstern der Menschen, die von den leichten Sommerbrisen in Schwingung gebracht werden. Es ist wundersam, dass der Klang der kleinen Glöckchen, an denen ein Stück liebevoll dekoriertes Papier, oft mit japanischen Mustern und Schriftzeichen, befestigt ist, welches sich sanft im Wind bewegt, die Empfindungen einer Erfrischung und Kühle audio-visuell untermalt.

Auch die Moderne mit ihren Klimaanlagen kann das Gefühl. welches oftmals schon seit der Kindheit entfacht ist und z.B. fest mit Besuchen bei den Großeltern verbunden ist, nicht verändern. Ob das bei künftigen Generationen auch so sein wird? Es wäre wunderbar, denn diese seltsame klangliche Seite, gehört einfach zu jedem Sommer, wie die Blüten zum Frühling.

Auch wenn wir von den sanften Glöckchen heute nichts hören, so zeugt doch das Zirpen der Zikadenvon der Klangwelt des japanischen Sommers.

Um hier in diesen Spurenklängen geteilt zu werden.

RR, 07.12.2020 & 14.01.2021

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[1]         https://en.wikipedia.org/wiki/Kakigōri