Klassische japanische Musik und Gesänge in einer mehrteiligen Reihe...

Es heißt im Noh Theater, welches über 600 Jahre alt ist und trotz vielerlei Widrigkeiten bis in die Neuzeit überlebt hat, begegnen sich Vergangenheit und Gegenwart in der Seele Japans.

Manchmal, so wie im uralten Noh Spiel Okina, ist dies eine Begegnung mit der Zeit, ja mit der Vergangenheit selbst, welche durch die Aufführungen des Stückes an Neujahr, wiederbelebt wird.

Okina ist ein altes Noh Stück, welches kein Noh Spiel im eigentlichen Sinne ist.

Es ist eine Art Shinto Ritual oder ein szenisches Gebet.

Richtig bezeichnet als „Shiki Sanban“, ein Alias für Okina, wird es hauptsächlich an Neujahr oder zu festlichen Angelegenheiten aufgeführt, um Gebete für Frieden, die Sicherheit des Landes und eine fruchtbare Ernte zu offerieren.

Okina ist mehrgeteilt durch die Eingangsprozession der Spieler und des Orchesters, den feierlichen Worten und dem Tanz des weißen Okina, zumeist vom Iemoto, dem Leiter der jeweiligen Theatergruppe, dem Boden ebenen Tanz, den Worten und dem feierlichen Tanz des Sambaso.

Weil Okina ein besonderes Ritual ist, welches sich grundlegend von anderen Noh und Kyogen Spielen unterscheidet und in seiner Essenz ein Shinto Ritual ist, bereiten sich die Spieler durch Reinigungrituale vor, in dem sie z.B. auf Fleisch verzichten.

Von der Anfangsprozession, die einen bereits den Atem anhalten lässt, über den feierlichen Tanz des Okina, bis hin zum archaisch-rhythmischen Tanz des Sambaso, zumeist ein Kyogen Spieler, der Geist der „Okina“ durchweht, ist nicht von dieser Welt.

Das Ritual ist von Bewusstsein, Jahrhunderten Geschichte und essenzieller Tiefe durchtränkt, in dem man die Anwesenheit der Ewigkeit und des Heiligen tatsächlich spürt und davon beseelt wird.

„Okina“ entfaltet seine ureigene Kraft und trägt das Publikum in eine andere Welt.

Man spürt die unglaubliche Stärke des Rituals in besonderer Weise.

Dabei kommen tatsächlich unterschiedliche Kräfte zusammen:

Die Jugend in Senzai.

Das Alte und Erhabene in Okina.

Das urtümliche und erdende in Samba-so.

Die Kraft des „Okina“ Noh Rituals ist tiefgreifend und mitreißend.

Es heißt, dass „Okina“ ein Noh Spiel ist, welches kein Noh Spiel ist.

Anders als viele andere Spiele, gehört es in seine eigene Klasse, es ist nicht Teil einer der 5 Noh Kategorien und hat keine Handlung. Hierbei handelt es sich eher um ein heiliges Ritual, in welchem die Spieler göttliche Figuren zum Leben erwecken, die für Frieden, Wohlstand und Sicherheit des gesamten Landes tanzen.

„Okina“ ist ein sehr altes Spiel und sein unzweifelhafter Ursprung liegt im Nebel der Geschichte. In seinem „Fushi Kaden“, einer geheimen Überlieferung, erwähnt Zeami, der Gründer des Noh Theaters, dass Hada no Ujiyasu, ein Nachfahre von Hada no Kokatsu, dem Patriarchen des Sarugaku, einer Vorform des Noh Theaters, 66 Sarugaku Stücke aufführte, die von Kokatsu stammen, um für Glück und Frieden während der Amtszeit von Kaiser Murakami (10. Jahrhundert). Später wählte er drei Stücke aus den 66 aus und zusammen wurden sie als „Shiki-sanban“ bezeichnet, einem Alias für „Okina“. Das Shiki-sanban, welches Zeami erwähnte, sind drei Tänze (Chichi-no-jo, Okina (oder Okina Männer) und Sanba-sarugaku), welche drei Gottheiten aufführen, um für Glück zu beten. Diese drei Stücke wurden in der Vergangenheit aufgeführt. Später jedoch wurde Chichi-no-jo nicht länger aufgeführt und heute werden die Teile Senzai, Okina und Sanba-so. aufgeführt.

Die Aufführung von „Okina“ beginnt noch vor der eigentlichen Aufführung auf der Bühne. Die Spieler müssen sich für eine gewisse Zeit reinigen, bevor sie das Spiel auf der Bühne darbieten können. Dadurch bereiten sie Körper und Geist vor.

Am Tag der Aufführung, manchmal wird das Shimenawa (ein heiliges Seil aus Reisstroh), wird über der Bühne befestigt, um diese zu reinigen. Diese Seile sieht man häufig an Shintoschreinen oder deren Eingängen. Der Altar wird im Spiegelzimmer kagami-no-ma, einem Raum hinter dem Bühnenvorgang und vor dem Bühnensteg errichtet. Einige der Opfergaben sind eine men-bako (Maskenbox), welche die Masken für die Aufführung enthält, und Sake (Japanischer Reiswein), der auf dem Altar geopfert für ein Ritual verwendet wird.

Am Anfang der Aufführung, betreten der Shite (Okina), Senzai (ein junger Spieler der jeweiligen Gruppe), Sanba-so (ein Kyogen Spieler), die Musiker, der Chor und andere Spieler den Bühnensteg in dieser Reihenfolge, angeführt vom Träger der Maskenbox. In den Komparu, Kongo und Kita Schulen, führt der Träger die Rolle des Senzai auf, wodurch eine Person weniger auf der Bühne im Vergleich zu den beiden anderen Schulen Kanze und Hosho erscheint.

Auf der Bühne nimmt der Shite nach einer tiefen Verbeugung, Platz. Nach der Musik von drei kleinen Handtrommeln und der japanischen Flöte, beginnt der Shite mit dem Chor (Ji-utai) in abwechselnder Weise zu singen. Dann tanzt Senzai. Senzai übernimmt die Rolle eines Zeremonienmeisters in diesem Tanz. Während Senzai tanzt, wird dem Shite die Okina Maske angelegt, welche ihn in eine Gottheit transformiert.

Okina tritt nach vorn und tanzt einen sehr feierlichen und tragenden Tanz. Danach nimmt er die Maske ab, die wieder in der Box verstaut wird. Nach einer weiteren tiefen Verbeugung verlassen Okina und Senzai die Bühne über den Steg (Hashigakari). Diese Szene wird Okina-gaeri (Abschied von Okina) genannt. (Senzai verlässt in den Aufführungen der Komparu, Kongo und Kita Schulen die Bühne nicht.)

Nachdem Sanba-so erscheint und „momi-no-dan“ ohne Maske tanzt, legt er die Maske des kokushi-jo an und hat einen Dialog mit dem Träger der Maskenbox. Dann wird ihm ein Klingelbaum gegeben, um den Tanz „suzu-no-dan“ vorzuführen.

Noh Spiele werden stets mit einer ruhigen Würde gespielt und in tiefer Anspannung dargeboten. Aber anders als andere Spiele hat „Okina“ eine einzigartige Atmosphäre, die Atmosphäre heiliger Riten. Nach Beginn der Aufführung ist es nicht mehr erlaubt den Saal zu betreten oder zu verlassen. Als Teilnehmer und Beobachter des Ritus, begibt sich auch das Publikum in eine mystische Sphäre. Es ist schwer die Atmosphäre von Okina im Detail zu beschreiben. Der Besuch einer „Okina“ Aufführung wird ganz besonders empfohlen, um in die Heiligkeit einzutauchen.

Der Jahreswechsel ist noch nicht allzu weit entfernt und so lassen wir heute das uralte Noh Spiel oder Ritual „Okina“, in einer Aufführung der Tokioter Umewaka Kennohkai Theatergruppe aus dem Jahr 2015, als weiteren Auftakt der 2. Staffel in den heutigen Spurenklängen, ertönen.

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Quelle

Noh Plays Database: Okina: Synopsis and Highlight